Medien Life Savers

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Wer schon mal Kurse in Moralphilosophie besucht hat, wird sich an die bizarren Beispiele erinnern, die in der entsprechenden Einführungsliteratur auftauchen und gemeinsam in der Stunde diskutiert werden. Ein Beispiel: man stelle sich vor, Paris würde überflutet, und die Umstände würden einen dazu zwingen, sich zu entscheiden, ob man ein menschliches Leben - allerdings das eines Massenmörders - rettet oder das unschätzbare Kulturerbe der Mona Lisa. Die traditionelle Philosophie lässt einen verwirrt zurück; wenn man aber Eva Grubingers ''Life Savers'' in Betracht ziehen würde, wäre die Antwort einfach: die Mona Lisa selbst würde den dubiosen Zeitgenossen retten.

In Grubingers Kette von sechs grotesken Slapstick-Videoszenen werden sechs abstrakte, seltsam leuchtfarbene Objekte eingeführt. Diese Objekte erweisen sich als Retter in lebensbedrohenden Situationen, die sich zu einer grotesken Erzählung über angebliche Unschuld und sexuelle Gewalt, Bindung und Ablehnung, zeichenhaftem Slapstick und düsterer Furcht verdichten.

Es wird deutlich, dass die Arbeit die sexuellen Untertöne heikler Geschlechterbeziehungen einschließt, als das Mädchen von einem netten Feuerwehrmann gerettet wird, der sich als getarnter Psychopath herausstellt und später eine Frau in Schwarz bedroht, welche ihrerseits gerade von einer Frau in Beige vorm Ertrinken gerettet wurde. Und schließlich kehren die Toten zurück (unter ärztlicher Aufsicht), um die Lebenden zu verfolgen.

Früher Stummfilm und zeitgenössische digitale Tableaux treffen sich in einem verdrehten Horrorland, wo nicht das gewöhnliche Hetero-Paar attackiert wird, sondern eine unorthodoxe Kleinfamilie von Frauen: und all das ausgelöst von Objekten, die sich als Lebensretter herausstellen.

Doch wäre es irreführend, die Anspielung auf Filmgeschichte überzubetonen, denn das Projekt steuert – ohne Gefahr zu laufen, schwerfällig zu werden – schnurstracks auf eine Diskussion um die Bedeutung des Kunstwerks zu. Was kann man von einem Kunstwerk erwarten? Kann Kunst leben retten, oder ist das zuviel verlangt? Grubinger vollzieht, nicht ganz humorlos, zwei wichtige Wendungen in Bezug auf das, was man von einem radikalen Kunstwerken in diesem Jahrhundert erwartet hat. Zum einen kehrt sie Duchamps Vorgehen um: anstatt massenproduzierte Objekte in Kunstwerke zu verwandeln, schreibt sie scheinbar rein formalistischen Arbeiten eine erstaunlich praktische Bedeutung zu (Duchamp hat im übrigen die Möglichkeit eines solchen Schrittes in 'The Green Box' antizipiert: ''Reziprokes Readymade - benutze einen Rembrandt als Bügelbrett.'') Was also können Grubingers große kugelrunde Metallstruktur, das feuerrote monochrome Bild oder die pinke, tropfenförmige Skulptur? Nun, sie retten Leben.

Zum anderen entwertet sie die traditionelle Verbindung zwischen Radikalität und der Rhetorik der Destruktion. Schon die historische Avantgarde fasste ihre ikonoklastischen Botschaften auf eine Weise, die mitunter verletzende oder gar tödliche Akte (ob gegen einen selbst oder andere gerichtet, oder gegen Objekte) als die reinste und ultimative Transgression erscheinen ließen. Mit Eva Grubingers ''Life Savers'' ist das radikalste ikonoklastische Statement plötzlich, nichts weniger von Kunst zu erwarten als dass sie Leben rette. Kunstwerke, die einen Ausweg zeigen, wenn alles erdrückend hoffnungslos erscheint.

(Daniel Birnbaum, Quelle: http://www.evagrubinger.com/)

Tags: Konzeptkunst
Kategorien: Film und Video

Produktionsland

AT : Österreich

Produktionsjahr

1999

Ton

mit Ton

Format

4:3

Farbe

Farbe
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