Medien Steve McQueen

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Vladimir Mitrev teilt in seiner Videoinstallation Steve McQueen eine Handlung auf zwei Bildschirme. Nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung erscheint auf dem einen Bild ein Paar Hände, das Gummibänder spannt und abschießt. Auf dem anderen ist eine Nagelwand zu sehen, auf der die Gummibänder landen. Bei beiden Bildern fokussiert die Kamera direkt auf das Geschehen. Nichts Überflüssiges ist zu sehen. Die Hände erscheinen in Nahsicht, hell vor einem dunklen Hintergrund. Die Nagelwand ist weiß, so dass die Nägel und die roten Gummibänder grafisch hervortreten. Die Nägel sind dabei in Reih und Glied sorgfältig angeordnet und bilden ein stabiles Grundraster. Der Nagelstift, obwohl die einzelnen Nägel etwas ungleichmäßig eingeschlagen sind, flüchtet in die Tiefe und gibt dem Bild eine minimale räumliche Erstreckung. Leicht unregelmäßig eingeschlagen vermitteln die Nägel eine gewisse Beiläufigkeit, die im Gegensatz zur inszenierten Gleichförmigkeit des Rasters steht. Den anderen Gegenpol zu diesem Raster bilden die Gummibänder, die es in ihrer organischen Form konterkarieren, während sie in ihrer Lage gleichzeitig von ihm abhängen und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Das mathematisch anmutende Grundgerüst wird gefüllt mit Elementen, die in ihrer Position stark dem Zufall unterworfen sind. Zwar gibt es eine gewisse Möglichkeit, bestimmte Bereiche des Nagelfeldes beim Abschießen des Gummibandes anzuvisieren, doch fehlt einem Gummibandgeschoss die Zielgenauigkeit, um es exakt zu positionieren. Solche Formen der bis zu einem gewissen Grade zufälligen Erzeugung von Bildern haben in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Das beginnt mit Leonardo, der vorschlägt einen farbgetränkten Schwamm an die Wand zu werfen, um sich durch das entstehende Bild zu einer künstlerischen Komposition anregen zu lassen (Trattato della Pittura, Parte Seconda, 57).
Über den Surrealismus, der mit der ''Ecriture automatique'', dem Prinzip des Zufalls in der Kunst große Bedeutung einräumt, geht der Weg zu Jackson Pollock, der seine Farbspuren am Boden zwar dirigieren, doch nicht vollständig kontrollieren kann. Mitrevs Gummibänder bilden ein Gemälde, das in seiner Grundstruktur auf den Minimalismus verweist und in der darüber gelegten Farbebene den Zufall zelebriert, und das über die Performance in seiner medienkünstlerischen Aufarbeitung. Das wäre jetzt in seiner Fülle kunsthistorischer Reminiszenzen eine Art Übersollerfüllung und würde als solche implodieren, wenn die Arbeit in ihrer Einfachheit nicht gleichzeitig humorvoll erschiene. Das 'Schnipsen' von Gummibändern bleibt so gesehen immer ein kindliches Spiel, das, wer erinnert sich nicht, bestens zum Ärgern von Lehrern und Eltern geeignet war.
Daneben gehören Gummibänder zu den simpelsten Dingen des Gebrauchs in unserem alltäglichen Umfeld. Mit ihnen zu malen, bedeutet in gewisser Weise eine Aufwertung des Alltagsgegenstandes oder umgekehrt eine entspannende Relativierung des künstlerischen Prozesses, vergleichbar der Verwendung eines einfachen Schwamms bei Leonardo. Abschließend sei daran erinnert, dass der Videokünstler Steve McQueen 1997 zur documenta 10 im Kasseler KulturBahnhof mit einer Arbeit (''Catch'') zu sehen war, bei der eine laufende Videokamera immer zwischen ihm und einer weiteren Person hin und her geworfen wurde.

(Holger Birkholz /aus: Ausst. Kat. Monitoring, 25. Kasseler Dokumentarfilm und Videofest, Kasseler Kunstverein, Kassel 2008, S. 129)

Kategorien: Film und Video

Produktionsland

BG : Bulgarien

Produktionsjahr

2007

Ton

mit Ton

Format

5:4

Farbe

Farbe
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